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Verkehrsrecht Gerichte zweifeln Rechtmäßigkeit vieler Blitzer an

Viele Blitzer-Messungen sind nicht verwertbar - das sagen nun Gerichte in mehreren Bundesländern. Die Geräte müssen demnach die Rohdaten zur Überprüfung speichern. Vor allem moderne Lasergeräte haben nun ein Problem.
Ein Polizist misst mit einer Laserpistole die Geschwindigkeit vorbeifahrender Fahrzeuge

Ein Polizist misst mit einer Laserpistole die Geschwindigkeit vorbeifahrender Fahrzeuge

Foto: Matthias Balk/ dpa

Ein Urteil des saarländischen Verfassungsgerichtshofs findet erste Nachahmer in der Rechtsprechung. Demnach sind Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr nur dann gerichtlich verwertbar, wenn die eingesetzten Messgeräte die sogenannten Rohmessdaten abspeichern und sich damit das Ergebnis überprüfen lässt. Das ist aber offenbar bei einem Großteil der eingesetzten Blitzer, vor allem bei modernen Lasergeräten, nicht der Fall.

So urteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten im Fall eines Autofahrers, der auf einem Autobahnabschnitt statt der dort nur erlaubten 60 km/h mit 88 km/h unterwegs gewesen sein soll: Die fehlende Prüfmöglichkeit verstoße "gegen das Rechtsstaatsprinzip".

Die Berliner Amtsanwaltschaft prüft derzeit, ob sie gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten Rechtsbeschwerde einlegt. Das Amtsgericht Bautzen erklärte in mehreren solcher Fälle das Ergebnis der Messung für "unverwertbar" und stellte die Verfahren ein. Weitere Verfahren, teilte das Gericht dem SPIEGEL auf Anfrage mit, seien derzeit zurückgestellt, um abzuwarten, wie das Oberlandesgericht Dresden entscheidet.

Saarland verzichtet auf zahlreiche Bußgelder

In den Fällen aus Saarbrücken und Bautzen ging es um den Laserscanner Traffistar S350 der Firma Jenoptik, im Fall aus Berlin um das Gerät LEIVTEC XV3. Das Amtsgericht Suhl zweifelt offenbar auch daran, Messungen mittels Drucksensoren gerichtlich zu verwerten, sofern keine Rohmessdaten abgespeichert werden und hat dazu ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Das Amtsgericht Minden lehnte es dagegen ab, ein solches Verfahren einzustellen.

Im Saarland sollen nach einem Rundschreiben des Innenministeriums bis auf Weiteres keine Bußgelder aufgrund von Messungen mit Lasergeräten verhängt werden. Dies betrifft die Mehrzahl der fest installierten Blitzer. Geräte, bei denen die Rohmessdaten jetzt schon abgespeichert werden - das ist insbesondere bei einem meist mobil eingesetzten Blitzgerät der Fall - sind dagegen auch im Saarland weiterhin im Einsatz.

Einige Hersteller wollen Geräte nicht umrüsten

Der Hersteller Jenoptik ist nun dabei, sein Lasermessgerät Traffistar S350 so umzurüsten, dass Messdaten künftig abgespeichert werden. Dies soll bundesweit erfolgen. Das Softwareupdate hätte ursprünglich schon im Juli fertig sein sollen. Nun soll es aber umfangreicher ausfallen als ursprünglich geplant und bis Ende September vorliegen.

Danach muss die neue Software aber noch von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geprüft und zugelassen werden. Der Hersteller Vitronic (Poliscan) hat eine solche Umrüstung seiner Geräte bislang abgelehnt. Auch LEIVTEC erklärte dem SPIEGEL auf Anfrage, man warte erst einmal die weitere juristische Entwicklung ab.

Ursprünglich hatte der saarländische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Grundrechte von geblitzten Fahrern auf ein faires Verfahren verletzt sind, wenn das Messergebnis mangels Messdaten nicht überprüfbar ist. Zahlreiche Geräte speichern die Rohmessdaten nicht ab, sondern werfen nur Eckdaten, ein Foto sowie die aus den Einzelmessungen der reflektierten Laserstrahlen berechnete Geschwindigkeit aus.