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Wichtiger Rohstoff für E-Autos Kampf um Lithium

Die deutsche Autobranche will stärker auf Elektroantriebe setzen. Die wichtigste Zutat für die Akkus will eine Firma bald auch am Oberrhein fördern. Doch vor Ort wächst der Widerstand.
Geothermie-Kraftwerk im rheinland-pfälzischen Insheim: Liefert bis zu fünf Megawatt Strom - und bald auch Lithium?

Geothermie-Kraftwerk im rheinland-pfälzischen Insheim: Liefert bis zu fünf Megawatt Strom - und bald auch Lithium?

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Uwe Anspach/ picture alliance / dpa

Es ist der Rohstoff für die elektrische Revolution: Lithium - früher bloß aus Legierungen oder Psychopharmaka bekannt - ist heute essenzieller Bestandteil von Akkus, ob im Handy oder im E-Auto. Gerade wegen der Verwendung in der Elektromobilität ist das Alkalimetall inzwischen gefragt wie nie. Um die Abbaurechte ist ein weltweiter Wettstreit entbrannt, in dem sich deutsche Firmen behaupten wollen.

Statt in Bolivien oder Chile könnten sie auch in Baden-Württemberg investieren, dem Kernland der deutschen Autoindustrie, das derzeit wegen der Coronakrise wirtschaftlich schwere Zeiten erlebt. Im Oberrheingraben steckt jede Menge Lithium, gelöst im Thermalwasser in Tausenden Metern Tiefe. Und gefördert wird das Wasser zwischen Frankfurt und Basel bereits vielerorts zur Strom- und Wärmeerzeugung. Geothermie nennt sich das Verfahren.

Diesem Wasser will Horst Kreuter mit seiner Firma Vulcan Energy Resources künftig in großem Stil Lithium entziehen, ehe es wieder in den Untergrund zurückfließt. Der Lithiumgehalt der salzhaltigen Brühe, die mit Dutzenden Litern pro Sekunde an die Erdoberfläche gelangt, sei dafür hoch genug, versichert er.

"Der CO2-Abdruck dieser Produktion ist sogar negativ", wirbt der 63-jährige Ingenieur für seine Idee einer groß angelegten Lithiumgewinnung: Da durch das Thermalwasser mehr Energie als für die Gewinnung nötig an die Oberfläche gepumpt wird, könne ein Teil des Geothermie-Stroms für die Produktion eingesetzt werden und der restliche Teil ins Netz eingespeist werden. In Südamerika oder Asien wird Lithium dagegen im Tagebau gefördert und mit Kohlestrom ausgekocht, den Transport nach Europa noch gar nicht eingerechnet. "Das alles kann wegfallen", frohlockt Kreuter.

Potenzial für viele Tausend E-Autos

Der Oberrheingraben ist die geothermisch heißeste Region Deutschlands. Die Vorkommen dort haben durchaus Potenzial - theoretisch auch für viele Tausende E-Autos deutscher Hersteller, wie Michael Schmidt von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bestätigt. Ob dieses Potenzial genutzt werden kann, hängt jedoch auch davon ab, ob Projektfirmen es international konkurrenzfähig fördern und anbieten können. Der Preis für Lithium, der jahrelang nur steil nach oben schoss, ist aktuell durch Überproduktion und wegen der krisenbedingt schwachen Nachfrage wieder etwas gesunken. Da stellt sich die Frage, ob sich die Förderung aktuell überhaupt lohnt.

Insgesamt seien die Rahmenbedingungen grundsätzlich gut, sagt Geologe Schmidt: Zum einen, weil es sich bei der Gewinnung erst mal nur "um einen positiven Nebeneffekt der Geothermie" handle. Zum anderen, weil die Nachfrage mit der zunehmenden Elektrisierung der Autoantriebe massiv steigen und mit der Klimadebatte auch die Frage des CO2-Abdrucks bei der Gewinnung und Produktion immer wichtiger werde. "Da kann das naheliegende Angebot für europäische Autobauer durchaus attraktiv sein."

Von der Förderung für die Autoindustrie ist man bei Vulcan Energy noch ein großes Stück entfernt - und es gibt starke Konkurrenz. Wenige große Abbaufirmen beherrschen den weltweiten Markt, in Deutschland gibt es zudem noch kleinere Mitbewerber: Ein Unternehmen in Sachsen will etwa im Erzgebirgsort Altenberg ein Bergwerk öffnen .

Dennoch spricht Kreuter bereits "von den VWs dieser Welt", die an seiner Rohstoffquelle Interesse haben könnten. Am Geothermiekraftwerk Insheim in der Pfalz soll eine erste Pilotanlage zur Gewinnung von Lithiumhydroxid in Testbetrieb genommen werden. Hierzu gibt es eine Vereinbarung über eine Kooperation mit einer Tochterfirma der Pfalzwerke. Kreuter will mit den Tests bereits bis Ende des Jahres beginnen.

Das Europäische Institut für Innovation und Technologie (EIT) beteiligt sich über seine Innovationsgemeinschaft Inno Energy mit einer sechsstelligen Summe an Kreuters Plänen. Der Chef der Inno Energy, Diego Pavia, sprach von "einem wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Lithiumversorgung für die schnell wachsende europäische Batterieindustrie". Das Projekt diene dem europäischen "Green Deal", also jener Idee, mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die EU bis 2050 klimaneutral machen will.

Der Deutschland-Chef von EIT Inno Energy, Christian Müller, teilte mit: "Durch dieses sowie die drei weiteren existierenden europäischen Projekte zum Lithiumabbau könnte Europa bis 2025 rund 80 Prozent seines Bedarfs aus eigenen Quellen abdecken."

Die Förderung der Batterietechnologie  ist laut EIT Inno Energy auch im jüngst angekündigten EU-Wiederaufbauplan in der Coronakrise wichtig. Das Institut geht davon aus, dass mittelfristig bis Ende 2022 EU-weit bis zu eine Million hochqualifizierte und sichere Jobs entstehen und das Marktvolumen auf rund 210 Milliarden Euro steigen könne. Das Bundeswirtschaftsministerium indes hat laut einer Sprecherin noch nicht entschieden, ob es auch deutsche Lithiumpläne fördert.

Dutzende Kilometer südlich der Pfalz, in der Ortenau, treibt Vulcan Energy seine Pläne ebenfalls voran. Hier liegt eines von bislang zwei Gebieten, für das die Firma von den Behörden Bergrecht zur Erkundung des Bodenschatzes in der Region verliehen bekommen hat. Wenn alles glattgeht, will das Unternehmen, so Kreuter, in dem 300 Quadratkilometer großen Areal ab 2025 "Tausende Tonnen des Ausgangsstoffs für Kathoden aus mehreren Geothermieprojekten" fördern.

Lithiumkonzentrat in der Atacama-Wüste in Chile

Lithiumkonzentrat in der Atacama-Wüste in Chile

Foto: Cristóbal Olivares / Bloomberg / Getty Images

Für die beiden in der Ortenau geplanten Kraftwerke wird Vulcan nach Einschätzung von Analysten  bis in drei Jahren mehr als 300 Millionen Euro Kapital sammeln müssen, hinzu kommt zusätzlich eine ähnlich hohe Summe für die Lithiumgewinnung an sich. Ingenieur Kreuter sucht noch nach Investoren.

Wie groß der Bedarf an dem Rohstoff womöglich schon bald wird, legte zuletzt eine Prognose des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag der BGR nahe: In der Studie  gingen die Forscher bis zum Jahr 2035 im extremsten Fall vom dreieinhalbfachen Bedarf der heutigen Produktion aus, vor allem wegen steigender E-Mobilität. Die nun höhere Prämie für diese Fahrzeuge im Corona-Konjunkturpaket führt bereits jetzt zu einer steigenden Nachfrage.

"Werden alles tun, um das zu verhindern"

Aller Goldgräberstimmung zum Trotz: Die Erkundung von Lagerstätten und die Geothermie bergen Risiken. Was, wenn eine Bohrung nichts findet - oder gar schiefgeht? Beispiel: Staufen im Breisgau. Hier ließ eine havarierte Geothermiebohrung von 2007 den Gips im Untergrund derart aufquellen, dass Hunderte Häuser des pittoresken Rentnerstädtchens angehoben wurden und Risse bekamen.

Spätestens seit diesem Vorfall gibt es in der Region teils heftigen Widerstand gegen Geothermie - unter anderem von Richard Schüler. Der CDU-Gemeinderat aus der Grenzstadt Kehl am Rhein ist deshalb auch auf die aktuellen Lithium-Pläne nicht gut zu sprechen: "Sollten hier Anträge kommen, werden wir alles tun, um das zu verhindern." Er verweist auf ein Erdbeben 2019 nahe Straßburg, das auf Geothermiebohrungen zurückzuführen sei. Die Beteuerungen wie denen von Pfalzwerke geofuture, dass es sich um eine verantwortungsvolle und sichere Energiequelle handle, glaubt er nicht.

Lithium-Sucher Kreuter hält die Risiken dagegen für beherrschbar - und will Aufklärungsarbeit leisten. In Staufen sei eine oberflächennahe Bohrung missglückt, bei der für die Lithiumförderung geplante Tiefengeothermie lägen 2000 bis 3000 Meter Gestein über der Lagerstätte. "Da quillt im Fall des Falls auch nichts mehr." Der Ingenieur spricht von einem geschlossenen System. Es werde mit dem nach der Nutzung in einem Kraftwerk auf etwa 65 Grad abgekühlten Wasser Lithium zunächst angereichert und anschließend zu Lithiumhydroxid weiterverarbeitet. Er hofft sogar, dass es sich um eine ständig selbst erneuernde Quelle handeln könnte, in der das zurückgeleitete Thermalwasser wieder Lithium aus dem Gestein herauslöst.

Da ist auch BGR-Geologe Schmidt vorsichtiger. "Theoretisch ist so etwas möglich. Aber eine fundierte Beantwortung dieser Frage erfordert weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen." Und auch Schmidt weiß: "Wir haben in Deutschland keinen Bergbau mehr wie noch vor 40 Jahren, somit könnte die Akzeptanz eine andere sein als etwa in Ländern, in denen Bergbau einen maßgeblichen Wirtschaftszweig darstellt."