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Foto: Jovana Rikalo / Stocksy United

Tipps für den Weihnachtsbaumkauf No Pannenbaum

Von drauß‘ vom Walde kommen die Weihnachtsbäume schon lange nicht mehr, deshalb sollte am besten ein Biobaum her. Doch wo gibt es die und worauf sollte man achten? Und braucht es überhaupt Bäume, wie alle dachten?
Von Philipp Löwe

Rudolf Fenner ist der Spezialist für umweltfreundliche Weihnachtsbäume in Deutschland. Sogar das Umweltbundesamt verweist auf seine Übersicht der Verkaufsstellen für bio-zertifizierte Weihnachtsbäume. Seit bald zwanzig Jahren erstellt der Botaniker die Biobaum-Liste  für die Umweltschutzorganisation Robin Wood, deren Waldreferent er früher war.

Als Fenner 2002 anfing, gab es gerade mal 44 Verkaufsstellen. 2020 zählte er 868, fast zwanzigmal so viele. In Bayern und Nordrhein-Westfalen gibt es die meisten. Das Sauerland und der Spessart sind quasi die Exportweltmeister der deutschen Länder.

Dennoch, von den knapp 30 Millionen verkauften Weihnachtsbäumen stammten 2019 nur 140.500 aus ökologischem Anbau, weniger als ein halbes Prozent. Auch wenn Rudolf Fenner hofft, dass es inzwischen rund 0,7 Prozent sind: »Es ist erschreckend wenig«, sagt er.

Doch was ist eigentlich so schlimm an einem herkömmlichen Weihnachtsbaum? Zunächst einmal verbraucht er Fläche. »Die Bäume kommen ja nicht aus dem Wald«, so Fenner. Und auf dieser Fläche wird landwirtschaftlich gearbeitet, sprich Chemie eingesetzt: Herbizide, Insektizide und alle möglichen Gifte. Nichts davon ist illegal, aber gut für die Umwelt ist es auch nicht.

Bäume voll gefährlicher Stoffe

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ließ dieses Jahr knapp zwei Dutzend Weihnachtsbäume von einem unabhängigen Labor auf Rückstände von knapp 140 Pestiziden untersuchen. Bei 14 wurde das Labor fündig. »Insgesamt wurden neun verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen, von denen sieben zu den gefährlichsten zählen, die derzeit in der EU eingesetzt werden«, schreibt der BUND .

Außerdem werden die Bäume gedüngt. Mineraldünger soll die Bäume grüner machen und die Nadeln glänzender – und er überschwemmt die Felder mit Nitrat, das später im Grundwasser landet. Fenner fordert daher: »Wenn diese Kulturflächen gewollt sind, dann darf wenigstens der Boden nicht verseucht und der Artenschutz ignoriert werden.« Eigentlich wäre er aber dafür, auf die Bäume zu verzichten – oder sich Alternativen zu suchen.

Bei ihm zu Hause etwa steht ein »Keinachtsbaum« – ein Holzgestell für Tannengrün. Wobei natürlich die Zweige auch irgendwo herkommen müssen. Fenner verwendet deshalb alles Immergrüne, was sein Garten hergibt: Buchsbaum, Stechpalme, Rhododendron, aber auch andere Koniferen, also Nadelhölzer. »Das sieht sehr schön aus, sehr bunt und abwechslungsreich«, findet Fenner.

Worauf es beim Baumkauf ankommt:
  • Muss es überhaupt ein Baum sein, oder gibt es vielleicht Alternativen? (Plastikbäume sind keine Alternative!)

  • Wenn es ein Baum sein soll, dann am besten ein Bio-Baum aus der Umgebung.

  • Noch umweltfreundlicher ist es, sich unter Anleitung des Försters im Wald selbst eine Tanne zu schlagen.

  • Auf Kennzeichnungen wie Naturland, Bioland, Demeter, Biokreis oder FSC achten.

  • Auf dieser Liste  von Robin Wood sind Anbieter bio-zertifizierter Bäume aus ganz Deutschland verzeichnet.

Dass die Deutschen so auf Tannen fixiert sind, begründet Fenner mit einer »Holzpanik« vor rund zweihundert Jahren. Damals seien die heruntergewirtschafteten deutschen Wälder massiv aufgeforstet worden. Gepflanzt wurden aber keine heimischen Bäume, sondern Kiefern und Fichten. Die sind leichter auszusäen und wachsen schneller. Damals sind so viele Fichtenwälder entstanden, dass es immer Bäume gab, die gefällt werden mussten.

Heute ist die Fichte out. Sie ist angeblich nicht grün genug, sie pikst, und eigentlich muss sie spätestens an Silvester vor die Tür, wenn man nicht täglich den Staubsaugerbeutel leeren möchte. Den Platz der Fichte nahm etwa vor vierzig Jahren die Nordmanntanne ein. Inzwischen wachsen fast vier Fünftel aller hierzulande geschmückten Weihnachtsbäume aus den Samen der Tanne aus dem Kaukasus.

Auf Platz zwei liegen Blaufichten. Die stammen eigentlich aus Kanada und Nordamerika. »Auch da wird deutlich, das hat nichts mehr mit Wald zu tun«, so Fenner, »es sind einfach Kulturpflanzen, nur, dass man sie nicht isst, sondern als seelisches Futter nimmt«.

Warum Plastikbäume keine Alternative sind

Bei allen möglichen Tannenbaumarten, eine kommt für Fenner überhaupt nicht infrage: künstliche Bäume. Er findet es »absurd«, dass fossile Brennstoffe verwendet werden, um in Fernost einen Baum aus Plastik herzustellen. Vier von fünf Plastiktannen sind Importe aus China. Dort werden sie meist aus dem hierzulande längst geächteten Polyvinylchlorid (PVC) produziert – unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen.

Damit sich die Ökobilanz einigermaßen sehen lassen kann, müssten die Plastikbäume zwanzig Jahre lang genutzt werden, haben kanadische Forscher ausgerechnet . Haben sie ausgedient, landen sie auch nicht in einem Heizkraftwerk wie natürliche Bäume, die korrekt über die städtischen Sammlungen entsorgt werden, sondern in der Müllverbrennungsanlage. Dort setzen sie Chlorwasserstoffgas frei, hochgiftiges Dioxin und Krebs erregendes Benzo(a)pyren. Eine schöne Bescherung.

Was ist mit Bäumen im Topf?

Bleiben noch die immer häufiger beworbenen Bäume im Topf. »Das kann man machen, aber nur, wenn der Baum von Anfang an im Topf gewachsen ist«, sagt Fenner. Günstig sind solche Bäume auch nicht. »Die kosten mindestens 80 Euro«, sagt Fenner. Sie fallen auch sonst ins Gewicht. Für so einen eingetopften Baum mit entsprechendem Wurzelballen empfiehlt Fenner »zwei Möbelpacker und einen Lieferwagen«.

In der Regel würden die Bäume aber aus dem Boden gerissen, ihre Wurzeln zurechtgestutzt und dann in den Topf gepresst. »Die leben garantiert nicht weiter«, sagt Fenner. Einige Baumärkte schreiben deshalb immerhin schon dazu: »keine Anwachsgarantie«.

Damit ein solcher Baum im Freien eine Überlebenschance hat, braucht es viel Geduld. Denn Weihnachtsbäume werden ins Wohnzimmer geholt, wenn sie im »Winterschlaf« sind und auf Sparflamme laufen. Ihr Stoffwechsel ist dann auf das Minimum reduziert. Nur so überstehen sie den Frost.

Sollen sie wieder aus der Wohnung, müssen sie langsam an die Kälte gewöhnt werden. Andernfalls sind mindestens die Knospen und Triebe hin. Fenner rät, sie bis Mai an einen frostfreien aber lichtarmen Platz zu stellen, zum Beispiel in die Garage. Nur so gibt es die Chance auf ein »alle Jahre wieder«.