Ganze Branchen und viele Unternehmen treiben derzeit Personalnöte um. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das auch in Minijobs begründet und fordert eine Abkehr von diesen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf, seinen Widerstand gegen die von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) geplante Kindergrundsicherung aufzugeben. „Finanzminister Lindner darf einer Einigung nicht länger im Weg stehen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag): „Aber nicht allein die FDP, sondern auch die übrigen Koalitionspartner mit Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich an der Spitze sind dafür verantwortlich, dass jetzt aus einem guten Plan ein gutes Gesetz wird, eines, das für alle Kinder mehr Chancen schafft.“
Der DGB fordert unter anderem, auch die Leistungen aus dem sogenannten Teilhabepaket von monatlich 15 Euro in die Kindergrundsicherung zu integrieren. „Im Moment kommen Hilfen beispielsweise für den Sportverein oder Ferienfreizeiten nämlich nur bei einem von sechs berechtigten Kindern tatsächlich an“, beklagte Piel. Die Sorge, dass Eltern das Geld aus der Kindergrundsicherung zweckentfremden, sei ebenso vorurteilsbeladen wie unbegründet.
Der Sozialverband VdK verlangte zudem eine automatisierte Überweisung des Garantie- und Zusatzbetrags der Kindergrundsicherung. „Wir brauchen eine Kindergrundsicherung mit einer automatisierten Auszahlung“, forderte Verbandschefin Verena Bentele. Dazu müsse Lindner die Voraussetzungen schaffen durch Verknüpfung und Austausch von Steuerdaten mit den Behörden, die die Sozialleistungen auszahlten. Nur so sei eine automatisierte Auszahlung des einkommensabhängigen Zusatzbetrags durch die Familienkasse möglich.
Bentele hält bis zu 24 Milliarden Euro zur Umsetzung für die Kindergrundsicherung für notwendig und fordert zur Finanzierung Steuererhöhungen: „Zur Gegenfinanzierung könnte die Ampel großes Vermögen und Erbschaften höher besteuern.“
Paus hatte zuletzt von einem Bedarf von bis zu sieben Milliarden Euro gesprochen, während im Haushalt bisher nur ein Platzhalter von zwei Milliarden Euro eingestellt wurde. Bentele sagte, dieser Betrag werde auf keinen Fall reichen, um eine gute Kindergrundsicherung zu finanzieren. „Das Argument, das Geld sei schlichtweg nicht da, halte ich für nicht schlüssig. Das ist eine Frage des politischen Willens“, mahnte sie.
Auch DGB-Landeschef Burmeister fordert Abkehr von Minijobs
Ähnliche Forderungen stellte auch Baden-Württembergs DGB-Chef Kai Burmeister. Dieser hat mehrere Branchen dazu aufgefordert, nicht weiter auf Beschäftigte in Minijobs zu setzen. „Wir können nicht tagtäglich darüber jammern, dass uns viele Beschäftigte fehlen“, wenn gleichzeitig mehr als 600 000 Menschen im Südwesten ausschließlich in Minijobs arbeiteten, sagte Burmeister.
Angesichts des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels gebe es hier ein gewaltiges Potenzial. Konkret kritisierte Burmeister die Gastronomie, den Einzelhandel und das Reinigungsgewerbe. Wenn diese Branchen ihre Probleme ernst nähmen, müssten sie mit ihrer Minijob-Strategie Schluss machen, so Burmeister. Die Branchen hätten massive Imageprobleme. Der Gewerkschafter forderte: "Hört auf zu jammern, verabschiedet euch endlich von eurer Beschäftigungsstrategie." Die Branchen sollten „Branchen der guten Arbeit“ werden.
Burmeister schlug zudem eine grundsätzliche Diskussion darüber vor, sich von der Beschäftigungsform zu verabschieden. In einem ersten Schritt könne man die Sozialversicherungspflicht für Minijobs einführen. Ein großer Anteil der Minijobberinnen und Minijobber stecke in einer Sackgasse, die zu Unsicherheit, Einkommensarmut und Altersarmut - gerade bei Frauen - führe.
In Baden-Württemberg arbeiteten Ende des vergangenen Jahres 606 192 Menschen ausschließlich geringfügig, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage mitteilte. Etwas mehr als 60 Prozent davon waren Frauen. Die Anzahl habe im vergangenen Jahr erstmals seit 2013 wieder zugenommen. Die meisten Minijobber arbeiteten nach Angaben der Regionaldirektion im Einzelhandel und in der Gastronomie.
Minijobs - auch 520-Euro-Jobs genannt - sind laut der Bundesagentur für Arbeit geringfügige Beschäftigungen mit höchstens 520 Euro monatlichem Arbeitsentgelt oder einem Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr. Durch fehlende Beiträge zu den Sozialversicherungen sichern Minijobs sozial nicht ab.