Es ist ein Abend der Kontraste in Franken. Neben dem Sportpark Ronhof reihen sich Einfamilienhäuser. Hinter einem Jägerzaun dürstet Sommerflieder nach Wasser. Im Steingarten nebenan wächst als einzige Pflanze ein Kleeblatt, der Glücksbringer des ortsansässigen Zweitligavereins, allerdings nur aufgemalt. Das niedliche Fürther Stadion wirkt in Nachbarschaft zu der großen Dependance, die die Sparkasse dort gebaut hat, noch mal niedlicher. Ein Junge im Trikot des Lokalrivalen 1. FC Nürnberg murrt, als er vom Moderator des Fanclubs auf die Nationalmannschaft angesprochen wird: "Nein, hier gefällt's mir nicht."

Dann fährt der Mannschaftsbus von Sambia durch die deutsche Kleinstadtszenerie. Als die Spielerinnen aussteigen, tun sie das singend. Minutenlang bereiten sie sich auf diese Weise auf ihre Aufgabe vor, gegen die zweimalige Weltmeisterin Deutschland anzutreten. Nicht kleinlaut, sondern rhythmisch und ansteckend fröhlich. Die deutschen Fans rennen staunend hin.

Sie sind eigentlich gekommen, den deutschen Fußballerinnen eine gute und siegreiche Reise zu wünschen. Das Duell mit Sambia ist das letzte Testspiel vor der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, die am 20. Juli beginnen wird. Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr erreichte die DFB-Elf das Finale, erst in der Verlängerung schoss die Gastgeberin England das Siegtor. Die Frauen taten das, was die Männer schon lange nicht mehr machen: die Fans begeistern.

Nun werden es die Frauen den Männern doch nicht etwa nachmachen wollen, oder? 2:3 verliert Deutschland in Fürth gegen Sambia. Die erste Niederlage in der Länderspielgeschichte gegen ein Team aus Afrika trübt die Hoffnung auf eine erfolgreiche WM, zumal sie ein schwaches Halbjahr abrundet.

0:0 quälte sich die DFB-Elf im Frühjahr gegen Schweden, gegen Brasilien verlor sie. Vor zwei Wochen schlug sie zwar Vietnam 2:1, doch da hatte man einen höheren Sieg erwartet. Allerdings schickte Martina Voss-Tecklenburg in diesem Spiel eine bessere B-Mannschaft aufs Feld.

In Fürth jedoch tritt eine Elf an, die man sich auch in Australien vorstellen kann. Auch wenn die Bundestrainerin etwas überraschend Svenja Huth als Außenverteidigerin aus demselben zaubert. Das Pärchen Huth und Jule Brand entwickelt selten Gefahr. Brand, enorm talentiert am Ball, verliert ihn jedoch vor dem Tor zum 0:1-Rückstand.

Latte, Pfosten und so weiter

Die Deutschen sind lange überlegen, aber ihre Offensive ist Stückwerk. Auf der linken Seite kommen Felicitas Rauch und Klara Bühl mit immer derselben Masche kaum durch. Im Mittelfeld passt Lena Oberdorf stets zu fest. Sara Däbritz bringt selten Gefahr für das Tor. Lina Magull fehlt Wucht. Zudem vergibt Deutschland ein paar gute Torchancen in der Schlussphase, Latte, Pfosten und so weiter.

Es ist auch das Geschick der Copper Queens (Kupferköniginnen) aus Sambia, das Deutschland das Leben schwermacht. Der Star des Teams ist Barbra Banda, eine frühere Profiboxerin, die ihre Gegnerinnen oft k. o. schlug. Die heute 23-Jährige wurde durch Hattricks bei Olympia 2021 bekannt. Und durch ihre hohen Testosteronwerte, weswegen sie beim Afrika Cup im Vorjahr nicht mitspielen durfte. Bei der WM ist sie trotz unklarer Rechtslage dabei.

Einige Spielerinnen verdienen weniger als 50 Euro im Monat

Auch in Afrika kicken immer mehr Mädchen und Frauen. Sambia ist eine aufstrebende Nation, hat sich erstmals für eine WM qualifiziert. Einige Spielerinnen verdienen weniger als 50 Euro im Monat. Da ist Banda eine kleine hormonelle Kompensation für die riesigen strukturellen Nachteile gegenüber Deutschland. Drei Kontertore schießt Sambia, zwei davon die Kapitänin, ein weiteres bereitet sie vor.

Richtig aufregend wird es in der Endphase. Deutschland liegt 0:2 zurück, doch in der viel zu langen Nachspielzeit gelingen erst Lea Schüller, dann der wirkungsarmen Alexandra Popp zwei Kopfballtore. Nach dem Ausgleich in der 100. Minute streben die Deutschen das 3:2 an, aber es fällt auf der anderen Seite. Banda ist einfach deutlich zu schnell.

Das Spiel ist noch nicht vorbei, da rennen alle Sambianerinnen, die auf der Ersatzbank sitzen, schon aufs Feld. Nach dem Schluss begehen sie ihren historischen Erfolg mit ihren Anhängerinnen und Anhängern. Etwa fünfzig dürften es in Fürth gewesen sein, die Mannschaft hat sich in der Gegend auf die WM vorbereitet. Sie läuft auch eine kleine Ehrenrunde vor den deutschen Fans, die applaudieren.

Die sportlichen und musikalischen Sieger

Noch mal sind die Kontraste des Abends zu sehen. Auf der einen Seite das traditionelle Naturvolk mit seinen einfachen ursprünglichen Liedern. Aus der Heimkurve hört man vom Frankenstamm: "Dass wir vom Ronhof sind, das weiß ein jedes Kind. Und das Kleeblatt Fürth gewinnt." Der DFB quält alle Anwesenden erneut mit dem neuen WM-Song, in dem Carolin Kebekus im rosa Jumpsuit hüpft: "Wir. Ihr. Alle. Eins."

Auf der anderen Seite ertönen kultivierte Klänge – klassischer Wechselgesang, begleitet von Trommeln, Bongos und Tamburin. Es sind die sambischen Fans, die nach dem Abpfiff unter der Tribüne tanzend im Rondo feiern und alle zum Mitmachen einladen. Sie sind die sportlichen und musikalischen Sieger.