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Protest in Hongkong Chinas Staats-TV setzt Demonstranten mit Nazis gleich

Das chinesische Regime diffamiert die Protestbewegung in Hongkong. Dafür missbraucht das Staatsfernsehen in Peking nun sogar ein Zitat des Pfarrers und KZ-Häftlings Martin Niemöller.
Demonstration in Hongkong: China brandmarkt die Protestierenden als Unruhestifter und Chaoten

Demonstration in Hongkong: China brandmarkt die Protestierenden als Unruhestifter und Chaoten

Foto: JEROME FAVRE/EPA-EFE/REX

"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Pastor Martin Niemöller (1977): Von 1938 bis 1945 saß er in den KZ Sachsenhausen und Dachau

Pastor Martin Niemöller (1977): Von 1938 bis 1945 saß er in den KZ Sachsenhausen und Dachau

Foto: BOHNACKER/ AP

Dieses Schuldbekenntnis, mit dem der evangelische Pfarrer Martin Niemöller nach dem Zweiten Weltkrieg das Versagen der Kirche unter der Nazi-Herrschaft eingestand, ist weltberühmt geworden. Leicht abgewandelt und in englischer Übersetzung wird das Zitat unter anderem in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und im Holocaust-Gedenkmuseum der Vereinigten Staaten in Washington ausgestellt. Niemöller selbst hatte als führender Vertreter der Bekennenden Kirche von 1938 bis 1945 im KZ gesessen.

Im englischsprachigen Raum ist Niemöllers Schuldbekenntnis unter dem Titel "First they came…" bekannt.

Am Samstag hat der englische Twitteraccount des chinesischen Staatsfernsehens CCTV eine abgewandelte Version des Niemöller-Zitats veröffentlicht. Darin wird die Demokratiebewegung in Hongkong mit den Nazis gleichgesetzt.

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Unter anderem heißt es da:

"Als sie die Straßen blockierten und Fahrer festnahmen und folterten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Fahrer.

Als sie Fluggäste schubsten und attackierten und den Zugang zu den Check-in-Schaltern blockierten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Fluggast."

Die CCTV-Version des Gedichts endet mit den Worten:

"Als sie mich angriffen, gab es keinen mehr, der für mich sprechen und protestieren konnte."

CCTV ist Teil des Ministeriums für Radio, Fernsehen und Film in Peking und damit journalistisch abhängig vom chinesischen Regime und der kommunistischen Partei. Die Veröffentlichung des abgewandelten Niemöller-Zitats reiht sich ein in die Versuche des Regimes, die Demokratiebewegung in Hongkong pauschal als gewalttätig und vom Ausland gesteuert zu brandmarken. (Lesen Sie hier mehr über das Bild, das die Führung in Peking von den Ereignissen in Hongkong verbreitet.)

Zugleich versucht CCTV offenbar, die Menschen in Hongkong, die sich bisher nicht den Großdemonstrationen gegen die prochinesische Stadtregierung und gegen die Führung in Peking angeschlossen haben, dazu zu bringen, sich gegen die Protestbewegung zu stellen.

Für den Sonntag haben die Aktivisten eine neue Kundgebung angekündigt, zu der Hunderttausende Menschen erwartet werden.

syd