Die Bundesregierung wendet sich bei der EU-Kommission klar gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig und plädiert für höhere Anforderungen an Gas als Überbrückungslösung. Das geht aus ihrer Stellungnahme zu den Kommissionsplänen zur sogenannten Taxonomie hervor, die kurz vor Fristablauf nach Brüssel übermittelt wurde.

"Aus Sicht der Bundesregierung ist Atomenergie nicht nachhaltig", heißt es darin. Schwere Unfälle mit Gefährdung von Mensch und Umwelt könnten nicht ausgeschlossen werden. Zudem sei Atomenergie teuer und die Endlagerfrage nicht gelöst. "Je länger Atomkraftwerke laufen, desto größer wird das Problem des Atommülls", schreibt die Bundesregierung. Insgesamt ergäben sich rechtliche Bedenken: Es sei zweifelhaft, ob die Aufnahme von Atomenergie mit den Vorgaben der Taxonomieverordnung vereinbar sei.

Langfristig sei auch die Nutzung von Erdgas nicht nachhaltig. Jedoch bilde fossiles Gas in hochmodernen und effizienten Gaskraftwerken für einen Übergangszeitraum eine Brücke, um einen schnelleren Kohleausstieg zu ermöglichen und kurzfristig CO₂ einzusparen, zitieren Nachrichtenagenturen aus der Stellungnahme.

Riskant und teuer

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) sagten der Nachrichtenagentur dpa: "Als Bundesregierung haben wir unsere Ablehnung zur Einbeziehung von Atomenergie noch mal deutlich zum Ausdruck gebracht." Sie sei riskant und teuer, außerdem gebe es rechtliche Bedenken. Im Bereich Gas habe man Präzisierungshinweise an die Kommission formuliert. So brauche es aus Sicht der Bundesregierung gesonderte Grenzwerte für Fernwärmenetze und den Ersatz von alten durch neue Gaskraftwerke. "Sollte der delegierte Rechtsakt unverändert bleiben und die Kommission die kritischen Stellungnahmen etlicher Mitgliedsstaaten und auch unsere unberücksichtigt lassen, sollte Deutschland ihn unserer Meinung nach ablehnen", erklärten Habeck und Lemke. 

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als "grüne" Investitionen eingestuft werden. Die Taxonomie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft als klimafreundlich gelten. Bürger und Investorinnen sollen so klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten – das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren. Bis Freitag um Mitternacht hatten Deutschland und die 26 weiteren EU-Mitgliedstaaten Zeit, um zum Vorschlag der Kommission Stellung zu beziehen. Im Anschluss will die Kommission aus dem Entwurf einen offiziellen sogenannten delegierten Rechtsakt machen – und so den nächsten Schritt zur Umsetzung einleiten.

Nur eine Mehrheit von mindestens 20 Staaten oder der Abgeordneten im EU-Parlament könnte ihn verhindern. Die dürfte jedoch nicht zustande kommen. Mindestens elf Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Polen und Ungarn, befürworten die Pläne ausdrücklich. Nur wenige Länder, etwa Österreich, Spanien und Dänemark, lehnen die geplanten Klassifizierungen ab. Österreich und Luxemburg erwägen sogar Klagen.